Der Beginn

 

 

Wenn Lügen wahr werden

 

Aus „MESSAGGERO DI SANT’ANTONIO“ März 1994

von Gulia Cananzi


LABA, einst ein heruntergekommenes Dorf in Burkina Faso, ist heute das Zentrum eines großen Entwicklungsprojektes. Aus dem Nichts ist neue Hoffnung entstanden, vor allem Dank der „Lügen“ eines fähigen und sich engagierenden Initiators und der Großzügigkeit der „Freunde des Heiligen“( amici del Santo ).

Gerome Bationo kommt lächelnd in die Redaktion. Er ist seit einigen Tagen aus Burkina Faso nach Padua zurückgekehrt, in die Stadt seiner Universitätsjahre, in der er 2 Doktortitel erlangt hatte: in Politikwissenschaft und Landwirtschaft. Lächelnd begrüßt er die Priester von Padua, die ihn während seiner Studienzeit bei sich aufgenommen haben; er erinnert sich scherzend an die vielen Kurse, das schwierige Studium, an die geopferte Freizeit in den Werkstätten, in den Tischlereien, alles das, um möglichst viel zu lernen, um damit seinen Leuten helfen zu können; so wurde er zu einem interessanten Multitalent: Gelehrter-Tischler, Doktor der Landwirtschaft-einfacher Bauarbeiter, Literat-Maurer.
Nach Afrika zurückgekehrt, hatte er so die Möglichkeit, ein wichtiges Entwicklungsprojekt in LABA ins Leben zu rufen, unterstützt von der Caritas antoniana und den „Freunden des Heiligen“.
Es hat lange gedauert, alles zu organisieren. LABA, eine kleine Stadt in Burkina Faso, war ein kleines Dorf, gelegen im Nichts und ohne Ressourcen. Jedes Dorf war auf sich selbst angewiesen, fast unmöglich zu erreichen, ohne Kommunikationsmöglichkeit nach außen, kein Gebäude war aus Stein gebaut. Lesen und Schreiben konnte niemand, die Landwirtschaft war nur auf Kurzfristigkeit ausgerichtet, Getreide, das gerade fürs tägliche Brotbacken ausreichte. Kein Krankenhaus, keine Krankenstation und auch kein Arzt waren vorhanden.
„Ich habe mich umgesehen, mich an die Theorien der Entwicklungshilfe erinnert und mir gedacht, daß diese Wüste vielleicht auch etwas Positives an sich hat: ich hätte freie Hand zum Handeln. Ich bin ins Dorf gegangen und habe den Leuten gesagt: Ich hätte euch „Lügen“ vorzuschlagen, wenn ihr sie kaufen wollt, riskieren wir alle, wenn wir scheitern, scheitern wir alle.“
Nach langen Jahren, die Jahrhunderte schienen, hörte sich jeder Vorschlag absurd an: der Unterschied war außerordentlich. Wenn dieses Entwicklungsprojekt Erfolg haben sollte, mußte man von zwei Voraussetzungen ausgehen: das Einbinden der lokalen Bevölkerung und deren Repräsentanten, sowie das Bestimmen der vorrangigen Maßnahmen.
Das Dorf kaufte beide Lügen, das Oberaupt und die Alten gewährten ihm eine Audienz und gemeinsam diskutierten sie die anstehenden Probleme. Die dringlichsten Probleme waren das Gesundheitswesen, das Bildungswesen, die Berufsausbildung, die Landwirtschaft und die Tierzucht.
„Wir hatten beschlossen, unseren Einsatz auf jene Probleme zu konzentrieren, die möglichst frei von eventuell auftretenden Problemen sein würden“-so Bationo-“und die möglichst
Allen zugute kommen sollten. Ich selbst gab nur die Ideen und ließ sie diese alleine weiterentwickeln.“

In der Tradition liegt das Geheimnis.

Wichtig war vor allem, daß die Menschen ihre ureigenen Strukturen bei der Weiterentwicklung verwenden.“Im Dorf leben Anhänger von Naturreligionen, Christen und Moslems friedlich nebeneinander, sogar innerhalb einer Familie. Mit der Zeit hatte sich ein Modell herauskristallisiert, das auf strengen Regeln basierte, die den Respekt vor der Verschiedenheit lehrten und eine große Solidarität zwischen den Mitgliedern eines Clans beinhalteten. Wenn zum Beispiel ein Clan Hilfe bei der Bestellung der Felder benötigte, lud er einfach das ganze Dorf ein und sorgte für Verpflegung. Jeder brachte seine Harke mit und in wenigen Stunden war die Arbeit vollbracht. Auf diese soziale Struktur baute ich den Grundsatz: „das Krankenhaus ist für alle da, aber alle müssen mitarbeiten.“
Als es an der Zeit war, die Schule zu errichten, sammelten die Erwachsenen die Steine, die Kinder brachten den Sand, die Frauen kümmerten sich um das Wasser. Sie lernten, Ziegel zu bauen, während die Schüler der Berufsschule Türen und die dazu gehörenden Rahmen herstellten. Die Caritas antoniana stellte, unter Mithilfe der Missionsgruppe „Freunde für Burkina Faso“ aus Brixen, das Material, das nicht leicht zu beschaffen war, zur Verfügung, finanzierte die Ausbildung des technischen und Sanitätspersonals, kaufte Arzneien und die notwendigen Geräte.

  

Der Wahrheitsbeweis.

Um eine massive Flucht aus den minderbemittelten Gebieten nach LABA zu verhindern, wurden auch Schulen in den benachbarten Städten gebaut. Jede Schule hatte einen Arzneikasten zur Verfügung. Vor allem die Schüler entwickelten sich zum Kern eines einfachen, aber sehr effizienten Gesundheitssystems: sie lernten Arzneien zu erkennen und diese auch richtig zu verwenden, sie registrierten jede Neugeburt und untersuchten jedes Kind auf seine Gesundheit. So entstand das erste demographische Erfassung.
„Heute stirbt kein Kind mehr an Dysenterie oder Malaria, alle sind geimpft und die schwangeren Frauen kommen ins Labor, um sich untersuchen zu lassen; niemand zwingt sie dazu“,sagt Bationo mit Genugtuung.
Nach einem langsamen Beginn verbesserten sich die Lebenskonditionen stetig: man bebaut die Gärten mit einer bisher nicht bekannten Vielfalt, die Ernährung ist vollwertiger, die Frauen tragen das Wasser nicht mehr auf dem Kopf, sondern transportieren es mit Karren, die von Eseln gezogen werden; es gibt einen Krankentransportdienst, der mit umgerechnet 1000 Lire (70ATS) von den Mitgliedern jedes Dorfes bezahlt wird; von Eltern, die Kinder in der Schule haben, wird ein kleiner Beitrag verlangt, gleichzeitig sitzen die Eltern im Verwaltungsausschuß der Schule.
„Es erfüllt mich mit großer Freude, diese ganze Dynamik, die sich daraus entwickelt hat, zu sehen“, sagt Bationo abschließend.“Wir Verantwortlichen des Projektes halten uns aber im Hintergrund. Der Intellektuelle, derjenige, der mehr weiß, sollte immer nur eine koordinierende Funktion haben, die Dinge müssen sich von selbst entwickeln, man darf nicht zu viel verlangen und sich Zeit lassen, auch wenn man glaubt, es besser zu wissen. Es ist IHR Projekt, und sie wissen das auch ganz genau: kein Politiker wird je von sich behaupten können, daß er der Vater eines solchen Projektes ist.
Ich möchte allen jenen danken, die mich in dieser Sache unterstützt haben, und besonders den“Freunden des Heiligen“, die es erst möglich gemacht haben, meine „Lügen“ wahr werden zu lassen.“